„Sag, wie hast du’s mit der Kriminologie?“ – Die Kriminologie im Gespräch mit ihren Nachbardisziplinen

Panel 8 - Korruption / Wirtschaftskriminalität und transnationale Schäden

09:00 – 10:30 Uhr im SR 3, Hof 7

Moderation: Ralf Kölbel

Zum Einfluss von Unternehmenskultur und Compliance Maßnahmen auf Korruptionsrisiken

Kai-D. Bussmann (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)
Nicole Selzer (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)
Sebastian Oelrich (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)
Andreas Schroth (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)

International agierende Unternehmen sehen sich trotz vorhandener Compliance Management Systeme (CMS) zahlreichen unternehmerischen Risiken ausgesetzt. Insbesondere neue Märkte in Entwicklungs-ländern bergen indes aber auch Risiken in Form von Korruption. Diese Risiken beruhen zumeist auf korruptionsförderlichen Landeskulturen und Strukturen. In unserer Studie untersuchen wir daher, wie Unternehmen durch CMS und einer integritätsförderlichen Unternehmenskultur sich gegen diese erhöhten Korruptionsrisiken schützen können.

Hierfür befragten wir knapp 2.000 chinesische, indische, russische und deutsche MitarbeiterInnen von Unternehmen in den jeweiligen Ländern zu Aspekten der Unternehmens- und Landeskultur, der Implementation von CMS und Hinweisgebersystemen, Antikorruptionsprogrammen, formeller und informeller Sozialkontrolle im Unternehmen und zum Umgang mit Korruption im eigenen Unternehmen.

Ländervergleichend lässt sich zeigen, dass gravierende Unterschiede in der Etablierung und Akzeptanz von CMS und in den Unternehmenskulturen in Abhängigkeit der jeweiligen Korruptionsbelastung in den Ländern bestehen. Hier zeigen Länder mit geringerer Korruptionsbelastung auch deutlich mehr Compliance Maßnahmen und positivere Unternehmenskulturen, wobei die Kausalkette eher spiralförmig verläuft.

Die Untersuchung erfolgt mit Hilfe eines Strukturgleichungsmodells. Die Studie bestätigt die bereits in der vorhergehenden Studie aufgestellte Hypothese, dass eine bloße Implementation formeller CMS-Maßnahmen nicht ausreicht, vielmehr müssen die vermittelten Werte in einer integritätsförderlichen Kultur im Unternehmen gelebt werden. Dies gilt grundsätzlich in allen untersuchten Landeskulturen. Das Zusammenspiel von CMS mit entsprechenden gelebten Werten hat einen immunisierenden Effekt gegenüber Korruption im Unternehmensalltag.


Institutionelle Korruption im Arzneimittelvertrieb. Empirische Befunde am Beispiel der Post-Marketing Studies

Ralf Kölbel (Ludwig-Maximilians-Universität München)

Korruption im Gesundheitswesen ist Gegenstand einer anhaltenden Diskussion. Dies gilt auch für den Bereich des Arzneimittelvertriebs. Dass dabei in der bisherigen Debatte von einem breiten Spektrum an hier eingesetzten korruptiven und korruptionsnahen Verfahren ausgegangen wird, hat in den vergangenen Jahren auch in Deutschland zu einer deutlich verstärkten Regulierung geführt. Der Beitrag geht diesen Gegebenheiten und Prozessen auf der Grundlage einer hierzu durchgeführten umfänglicheren Untersuchung nach. Allerdings konzentriert er sich auf ein Teilprojekt, das speziell der Frage gewidmet war, wann (bzw. wie oft) auch die Durchführung von sog. Post-Marketing Studies (PMS) als ein verdecktes Korruptionsinstrument dient und ob (bzw. unter welchen Voraussetzungen) dieses gewissermaßen auch funktioniert (d.h. die Medikationspraxis tatsächlich zum industrieseitigen Vorteil beeinflusst). Neben einer Überprüfung von 100 PMS anhand von Indikatoren, die für einen außerwissenschaftlichen Marketingzweck sprechen (Studie 1), wurde dafür das mehrjährige Verschreibungsverhalten von ca. 7.000 Ärzten (1/3 PMS-Teilnehmer, 2/3 Kontrollgruppe) erhoben und auf die Effekte einer Studienteilnahme hin befragt (Studie 2). Vergleichbar aufwändige Erhebungen sind zu dieser Frage bislang intern-/national noch nicht erfolgt. Die Ergebnisse der beiden Studien ergänzen sich mit den Beobachtungen zu anderen Entwicklungen im Pharmavertrieb. Zusammen genommen stützen sie die Annahme, dass man die Auswirkungen der (wirtschaftsstraf-)rechtlichen Regulierung im Gesundheitssystem als eine Substitution der „klassischen“ durch die „institutionelle“ Korruption erfassen kann. Der Beitrag wird die beiden Studien vorstellen und die Befunde korruptionskriminologisch sowie regulierungspolitisch einordnen.


Zur Diffusionswirkung von Unternehmenskulturen auf die Ablehnung von Korruption im Landeskontext: Eine Vier-Länderstudie.

Kai-D. Bussmann (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)
Nicole Selzer (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)
Sebastian Oelrich (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)
Andreas Schroth (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)

Multinationale Unternehmen, die neue Märkte im Ausland erschließen, sind erhöhten Korruptionsrisiken konfrontiert. Dabei werden sie häufig nur als Betroffene korruptionsförderlicher Landeskulturen und Strukturen gesehen, die diesen Einflüssen quasi ohnmächtig ausgesetzt sind oder gar diese fördern.

Die vorgestellte Studie lenkt das Augenmerk hingegen auf einen bisher wenig untersuchten Effekt: die positive Wirkung eines unternehmensinternen CMS und einer integritätsförderlichen Antikorruptions-Kultur auf das soziale Umfeld der Unternehmen. Die zentrale Hypothese ist, dass Unternehmen durch ihre eigene integritätsfördernde Kultur und entsprechende Anti-Korruptionsmaßnahmen einen integritätsförderlichen Effekt auf das Verhalten, die Einstellungen von MitarbeiterInnen in Alltagssituationen außerhalb ihres Unternehmens haben und ihnen eine durchaus gesellschaftliche Rolle in der Korruptionsbekämpfung zuzumessen ist.

Hierzu wurden fast 2.000 MitarbeiterInnen aus Unternehmen nicht nur nach der Implementation eines CMS und der Unternehmenskultur befragt, sondern auch nach ihrem Verhalten, ihren Einstellungen und ihrer sozialen Kontrolle von Korruption außerhalb des Unternehmenskontextes. Die Befragung erfolgte in vier Ländern mit unterschiedlichem Korruptionsgrad: China, Indien, Russland und Deutschland.

Mit Hilfe eines komplexen Strukturmodells lässt sich in der Studie die Diffusionswirkung von Unternehmenskulturen auf die Einstellung zu Korruption in unternehmensfremden Kontexten nachweisen. Hierbei wurde für die entsprechenden Landeskulturen kontrolliert. So zeigen die Ergebnisse, dass unter der Bedingung einer Akzeptanz der entsprechenden integritätsförderlichen Unternehmenskultur, positiver Whistleblowing Kultur und internen Normen MitarbeiterInnen weitaus seltener korrupte Situationen außerhalb des Unternehmens akzeptieren.

Den Ergebnissen der Studie zufolge können Unternehmen einen wichtigen Beitrag zum kulturellen Wandel leisten, indem sie in ihrem Geschäfts- und Unternehmensalltag nicht nur eine Anti-Korruptionspolitik verfolgen, sondern auch eine integritätsförderliche Kultur in ihrem Unternehmen implementieren. Die Globalisierung erscheint auch aus diesem Grund als Gegner der Korruption.


Transnationale Schäden, Wirtschaftskriminalität und Zukunftstechnologien am Beispiel Deutschlands.

Maria Laura Böhm (Juristische Fakultät, LMU München)

Der Vortrag befasst sich mit schwerwiegenden schädlichen Aktivitäten, die mit der Produktion neuer angeblich sauberer Technologien in Industrieländern verbunden sind und den Zugang zu natürlicher Ressourcen aus anderen Regionen erfordern. Von diesen Aktivitäten sind einige als strafbares Verhalten eingestuft und andere nicht, was eine erhebliche Herausforderung für die kriminologische Untersuchung bedeutet. Zwei Aspekte des Phänomens werden in dem Beitrag besonders in den Blick genommen. Erstens werden die speziellen Aspekte der Wechselbeziehung zwischen wirtschaftlichen und politischen Akteuren der beiden involvierten Ländern - Rohstoffexporter und –importer- dargestellt. Zweitens werden die Auswirkungen dieser Aktivitäten auf die lokale Bevölkerung des Rohstofflands und ihre Lebensbedingungen systematisch präsentiert. Diese reichen von Umweltbeeinträchtigungen strafbar als Umweltdelikte bis hin zu schweren gesundheitlichen Schäden oder Wohnraumverlust, die sogar als Grundrechtsverletzungen eingestuft werden können. Das Thema wird theoretisch präsentiert und zugleich am Beispiel Deutschlands konkretisiert. Panel

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