„Sag, wie hast du’s mit der Kriminologie?“ – Die Kriminologie im Gespräch mit ihren Nachbardisziplinen

Panel 32 - Cyberkriminalität / Open Access von Know How / Open Access als Chance für die deutschsprachige Kriminologie

16:00 – 18:00 Uhr im SR 3, Hof 7

Moderation: Arne Dreißigacker

Cyberangriffe gegen Unternehmen. Ergebnisse einer repräsentativen Unternehmensbefragung in Deutschland

Arne Dreißigacker (Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V., Hannover) 
Bennet von Skarczinski (Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V.) 
Gina Rosa Wollinger (Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW) 

Während in Deutschland in den letzten Jahren in vielen Kriminalitätsbereichen sinkende Fallzahlen zu verzeichnen sind, gehören Cybercrime-Delikte zu einem wachsenden Phänomen. Insbesondere Unternehmen stehen dabei im Fokus von Cyberkriminellen. Betroffene Unternehmen können dadurch enorme finanzielle oder wettbewerbliche Nachteile erleiden. Anders als großen Unternehmen mangelt es kleinen und mittelständischen Unternehmen vergleichsweise häufig am Bewusstsein für mögliche Gefahren durch Cyberangriffe und daneben an Möglichkeiten und Ressourcen, IT-Sicherheit effektiv zu implementieren. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und der Initiative „IT-Sicherheit in der Wirtschaft“ geförderten Projektes „Cyberangriffe gegen Unternehmen“ wurde u.a. eine repräsentative CATI-Befragung von 5.000 Unternehmen in Deutschland durchgeführt. In diesem Beitrag werden das Forschungsprojekt, die Methoden und erste Ergebnisse der Unternehmensbefragung zum Thema Cyberangriffe gegen Unternehmen vorgestellt. Der Fokus liegt dabei neben Prävalenzraten und dem Anzeigeverhalten von Unternehmen unterschiedlicher Branchen, Größen und hinsichtlich verschiedener Cyberangriffsarten auf den Folgen des schwersten erlebten Cyberangriffs und den verschiedenen Maßnahmen, mit denen sich die Unternehmen vor Cyberangriffen zu schützen versuchen. Abschließend wird die Frage aufgeworfen, welche generelle Bedeutung dem Forschungsgegenstand Cybercrime in Zukunft zuzumessen ist und welches Erkenntnisinteresse und Aufgabengebiet sich daraus für die Kriminologie ergibt. 


RACHE IST SÜSS – REVENGE-CRIME ALS NEUE FACETTE DER CYBERKRIMINALITÄT

Edith Huber (Donau-Universität Krems)
Bettina Paspisil (Donau-Universität Krems)

Kriminalitätsstatistiken belegen, dass die Zahl der Cybercrime Fälle im Steigen ist. So vielfältig die Vorgehensweise der TäterInnen ist, so offensichtlich scheinen ihre Motive, angesichts der spektakulären Cybercrime Fälle in den Medien: Macht und Geld. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch schnell klar, diese extrinsischen Motive treten häufig in Kombination mit einem ganz konkreten intrinsischen Motiv auf: der Rache. 

Bsp: Angelika trennt sich von Peter. Der enttäuschte Ex-Partner verkraftet den Verlust der Beziehung nicht. Die anfängliche Trauer schlägt in Hass und dem Wunsch nach Rache um. Peter, der noch alle Zugangsdaten zu den Onlinekonten von Angelika hat, beginnt damit ihre über das Internet gesteuerte Heizung willkürlich ein und aus zu schalten. 

Ob der/die enttäuschte ArbeitnehmerIn oder der/die betrogene Ehemann/Ehefrau, viele Delikte im Cybercrime Bereich beginnen mit einer persönlichen Enttäuschung, die zum Wunsch nach Rache wird. Häufig sind Passwörter und Zugangsdaten zu IT-Systemen auch anderen Personen in Naheverhältnissen bekannt. Somit besteht das Sicherheitsrisiko, dass diese auch missbräuchlich verwendet werden. Mit der zunehmenden Digitalisierung sind diese Rachedelikte massiv im Steigen begriffen und damit sind eine Ausbreitung des Cyberstalkings und des Revenge-Crime zu erkennen. 

Im Rahmen einer Aktenanalyse[1] in Wien untersuchten die Autorinnen die Cybercrime-Fälle der vergangen 10 Jahre. Dabei wurden sowohl die Akten der Staatsanwaltschaft, als auch die des Straflandesgerichts wissenschaftlich ausgewertet. Ein Ergebnis war, dass ein massiver Anstieg der Fälle von Revenge-Crime festgestellt wurden. Im Rahmen des Vortrags sollen Modus-Operandi, Typologie der TäterInnen und der Tatverdächtigen sowie die Opfertypologie präsentiert werden. Ausgehend von den bestehenden Fällen soll auch ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungen geworfen werden, denn die Möglichkeiten die dieser Kriminalitätsbereich bietet werden sich mit der Verbreitung und Implementierung des Internet of Things zukünftig noch vervielfältigen.

[1] Das Projekt „CERT-Komm II“ wurde über die österreichische Sicherheitsforschung „KIRAS“ der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft mbH über eine Finanzierung des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, gefördert


Open Access von Know-how? Zu den strafrechtlichen Grenzen des Geheimnisverrates in Deutschland, Österreich und der Schweiz

Susanne Knickmeier (Max-Planck-Institut für Strafrecht)

Mit der Digitalisierung von Daten haben die Möglichkeiten eines Zugangs zu Informationen und der freie Zugang zu ihnen erheblich zugenommen. Aber nicht jede Information soll nach dem Willen des Geheimnisinhabers frei verfügbar sein. Manche Unternehmen entwickelt ein Know-how, das sie selber gewinnbringend verwerten möchten, andere Unternehmen, wie zum Beispiel Versicherungen, möchten ihre Kundendaten für eigene Zwecke nutzen. Eine Verwendung geheimer Informationen durch Dritte kann existenzbedrohende Folgen haben. Geschützt wird der Verrat von Geschäftsgeheimnissen abhängig
davon, wer der Täter ist, durch verschiedene strafrechtliche Normen mit unterschiedlichen Strafandrohungen. 

Nach einem kurzen Überblick über den Phänomenbereich der Wirtschaftsspionage und Konkurrenzausspähung werden in dem vorliegenden Beitrag die Rechtslage, behördliche Zuständigkeiten und mögliche Rechtsfolgen in Deutschland, Österreich und der Schweiz anhand von Fallbeispielen dargestellt sowie die Herausforderungen für Strafverfolgungsbehörden vor allem bei grenzüberschreitenden Fällen oder Cyberangriffen verglichen und diskutiert. 

Die Ergebnisse beruhen auf den Daten von exemplarischen Fallstudien in Österreich (12 Fälle) und der Schweiz (15 Fälle) sowie der Analyse von über 700 Strafverfahren in Deutschland, die im Rahmen des vom BMBF geförderten Forschungsprojektes WISKOS erhoben wurden. 


Cyberstalking – Rechtliche Einordnung und empirische Erkenntnisse

Ulrike Zähringer (Hochschule in der Akademie der Polizei Hamburg) 
Marie Christine Bergmann (Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V.)

Obwohl in den letzten Jahren das Phänomen der Viktimisierung im bzw. über das Internet verstärkt Aufmerksamkeit erhielt, z.B. in den Bereichen Bullying oder Hate Speech, gibt es erstaunlicherweise zum Cyberstalking noch relativ wenige Erkenntnisse. Dies erstaunt umso mehr, als es bereits seit 2017 einen eigenen Paragraphen „Nachstellung“ (§ 238 StGB) gibt, der 2017 hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen nochmals deutlich erweitert wurde und nunmehr nicht mehr als Erfolgs-, sondern als Eignungsdelikt ausgestaltet ist. Das Problemfeld ist also schon einige Zeit bekannt, gleichwohl scheinen die „modernen“ Tatmodalitäten im wissenschaftlichen Kontext noch weitgehend unerforscht zu sein. 

Cyberstalking stellt die ungewollte Kontaktaufnahme mittels elektronischer oder internetfähiger Hilfsmittel dar, z.B. über Email, Messenger, in Chaträumen, Apps oder Foren (Reynes et al. 2011; Nobles et al., 2014). In diesem Vortrag wird zunächst eine rechtliche Einordnung des Phänomens gegeben und anschließend Daten einer Schülerbefragung präsentiert. Die Auswertungen basieren auf einer Erhebung, die im Jahr 2017 durchgeführt wurde (N= 8.938). Anhand von Selbsteinschätzungen der Schülerinnen und Schüler werden verschiedene Ausprägungen von Cyberstalking dargestellt, ebenso Informationen zum Täter-Opfer- und dem Geschlechter-Verhältnis. 

Die Soziologin Marie Christine Bergmann, M.sc. ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. und leitet dort das Projekt „Schülerbefragungen“. Marie.bergmann@kfn.de


Open Access – Eine Chance für die deutschsprachige Kriminologie

Franciska Heenes (Universität zu Köln)

Die deutschsprachige Kriminologie benötigt dringend neue Impulse. In diesem Zusammenhang sei insbesondere an das im Jahr 2012 erschienene »Freiburger Memorandum« erinnert, das sich eingehend mit der Lage der Kriminologie in Deutschland auseinandersetzt. Kern dieses Papiers ist die Feststellung, dass die deutsche Kriminologie – gemessen an Ihren Beiträgen zur internationalen Diskussion in einschlägigen Fachzeitschriften und Kongressen – in einen gravierenden Rückstand geraten ist. Dieser Befund blieb nicht ohne Folgen und war zum Beispiel Anstoß für die Gründung der Netzwerke für Kriminologie in Nordrhein-Westfalen und in Berlin. Da diese lokalen Netzwerke in ihrem Aktionsradius
jedoch begrenzt sind, bedarf es für die Verbesserung der Sichtbarkeit der Kriminologie im Ganzen anderer Formate. Ein vielversprechender Anknüpfungspunkt ist dabei die »Budapester Open Access Initiative«, die seit 2001 disziplinübergreifend Strategien entwickelt, um einen möglichst freien Zugang zu den Resultaten wissenschaftlicher Forschung zu schaffen. Diese programmatische Grundlage ist die Basis für das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt »Aufbau einer Open-Access-Zeitschrift für Kriminologie«. Kriminologie – Das Online-Journal | Criminology – The Online Journal ist die erste von Deutschland aus initiierte Open-Access-Zeitschrift für Kriminologie. Sie bietet alle Vorteile dieses Publikationsmodells – leichte Verfügbarkeit, größtmögliche Verbreitung, kostenlose Veröffentlichungen – und stellt somit eine Chance dar, die deutschsprachige Kriminologie international sichtbarer zu machen. Der Vortrag umreißt die genannten Probleme und stellt das Projekt vor.

Wir danken unseren Förderern und Sponsoren: