„Sag, wie hast du’s mit der Kriminologie?“ – Die Kriminologie im Gespräch mit ihren Nachbardisziplinen

Panel 11 - Dialog statt Hass

11:00 – 12:30 Uhr in der Aula, Hof 1

Moderation: Klaus Priechenfried

Dialog statt Hass

Dana Pajkovic (NEUSTART)

NEUSTART führt seit Jänner 2018 ein Projekt mit den Namen „Dialog statt Hass“ durch, das im Juli 2019 in den Regelbetrieb der Bewährungshilfe (Diversion) eingeführt werden konnte. Die Anzahl der Delikte zum Thema Verhetzung, im Speziellen in sozialen Medien, steigen kontinuierlich. Bei den Personen, die zu NEUSTART von Staatsanwältinnen/Staatsanwälten und/oder Richterinnen/Richtern zugewiesen werden, ist folgendes Phänomen zu beobachten: „wird der „anonyme Bildschirm“ durch den Dialog mit Menschen, die ihnen gegenübersitzen, ersetzt bzw. erweitert, kann der Hass dem Dialog weichen, so unterschiedlich die Standpunkte der Gesprächspartner*innen auch bleiben.“

Bei der Bearbeitung des Themas Hass im Kontext von Menschenrechten zeigt sich, dass Hass als Phänomen vor allem gegenüber vulnerablen Gruppen, Journalist*innen und Aktivist*innen auftritt. Im Rahmen der Präsentation wird die Entwicklung des Projektes vorgestellt.

Dabei soll die Methodik, die durch Sozialarbeiter*innen in der Organisation NEUSTART anwendet wird, dargestellt werden und das Know-How, das Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von NEUSTART benötigen, um Menschenrechte in sozialen Medien zu sichern.


Dialog statt Hass. Ein Programm des Vereins NEUSTART gegen Verhetzung

Klaus Priechenfried (NEUSTART)

Die Polarisierung gesellschaftlicher Debatten, innergesellschaftliche Spannungen sowie Voruteile werden heute zunehmend in den Medien ausgetragen, teilweise im Schutz vermeintlicher Anonymität. In Österreich hat der Gesetzgeber mit dem § 283 StGB reagiert, Verhetzung, was zu einem Anstieg der Verurteilungen in diesem Bereich geführt hat. NEUSTART (Träger vieler sozial konstruktiver Maßnahmen als Alternative zu Haft und Verurteilungen in Österreich) hat in Zusammenarbeit mit der Justiz ein Interventionsangebot entwickelt. Das Programm "Dialog statt Hass" soll für Themen der Diskriminierung sensibilisieren, Unrechtsbewusstsein schaffen, zu Reflexion und in der Folge zu Verhaltensänderungen führen.

Ziel des Projekts ist es, dass die Klientinnen und Klienten die gesetzlichen Normen und Grenzen kennen, dass sie sich mit dem Thema Diskriminierung auseinandersetzen, dass sie Sensibilität für die Art der Wirkung ihrer Meinungsäußerung entwickeln, dass sie über die Auswirkungen ihres Handelns Bescheid wissen. Kein Ziel ist die Änderung ihrer Gesinnung, sie sollen aber lernen sie strafrechtskonform zu äußern.

Die wichtigsten Methoden sind Normverdeutlichung, Medienkompetenz mit Schwerpunkt soziale Medien, Deliktverarbeitung zur Rückfallprävention, Diskurskompetenz (äußern von Kritik ohne Abwertung), Perspektivenwechsel (Sensibilisierung für die Auswirkung auf Opfer).

Wir werden die Tätigkeit des Vereins NEUSTART in Österreich kurz vorstellen und dann sowohl theoretisch als auch mit praktischen Fallbeispielen auf dieses Programm näher eingehen.


Dialog statt Hass

Valentin Schmidt (NEUSTART Zentrale)

Das im Jänner 2018 vom Verein NEUSTART eingeführte Projekt „Dialog statt Hass“ konnte mit Juli 2019 in den Regelbetrieb der Österreichischen Bewährungshilfe übernommen werden. Als Fortsetzung an den Vortrag von Frau Dr. Pajkovic wird der Blick auf die Praxis gerichtet und der Frage nachgegangen: Wie wirkt "Dialog statt Hass"?

Anhand ausgewählter Fallbeispiele wird der Verlauf einer Betreuung skizziert. Dabei wird sowohl die Ausgangsproblematik betrachtet, als auch das Programm, das "Dialog statt Hass" betroffenen Personen anbietet, vorgestellt.


Kriminalität auf Social Media auf der Spur – mit Methode

Bettina Paur (Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien)
Edith Huber (Donau-Universität Krems)
Gerhard Backfried (Universität Wien)
Bettina Pospisil (Donau-Universität Krems)

Verhetzung, Hasskriminalität, bewusste Falschinformation und Verschwörungstheorien auf Social Media stellen Justiz, Kriminalforschung und damit die Gesellschaft vor beinahe unüberblickbare Herausforderungen. Ständig wechselnde Plattformen, Menge, Geschwindigkeit, Unstrukturiertheit und Inhomogenität der Daten selbst (Stichwort Big Data), sowie die unterschiedliche Verwendung von Sprache in Kombination mit textuellen, visuellen und auditiven Elementen (mash-up) bilden die immense Komplexität für die Verarbeitung von Daten aus Social Media. Aus diesem Grund versagen hier herkömmliche Methoden der Datenerhebung und Datenanalyse zunehmend (Boyd 2011, Unseld 2013, Reichert 2014).

Verfahren aus dem Bereich des Natural Language Processing, insbesondere aus den Bereichen der Polaritäts- und Sentiment-Analyse (Shalunts, 2015), bieten hier aktuelle Ansätze, um mit den großen Datenmengen sinnvoll umzugehen. Neuere Entwicklungen aus dem Bereich des Machine Learning stellen zusätzliche Annäherungen dar. Während diese technischen Ansätze die Verarbeitung großer Datenmengen ermöglichen, weisen sie Schwächen in der Rückbindung des Datenmaterials auf. Das Dilemma besteht darin, dass die hohe Effizienz automatisierter Verfahren häufig mit einem Mangel an Validität einhergeht. Genauer: Man findet zwar (immer) Strukturen in den Daten, weiß aber nicht (immer), was sie bedeuten. Schließlich entwickelten sich herkömmliche Verfahren der konventionellen Datenanalyse aus über Jahrzehnte gewachsenen wissenschaftstheoretischen und methodologischen Ansprüchen, von denen die aktuellen Verfahren der automatisierten Analyse weit entfernt sind (Scharkow 2011). Um nun soziale Medien angemessen erfassen und analysieren zu können, muss eine Reihe methodischer Probleme bewältigt werden, zu denen nun die Sozialwissenschaft gemeinsam mit der Informatik neue vielsprechende Ansätze entwickeln.

Am Fallbeispiel der „Identitären Bewegung“ und ihrer Social Media Präsenz soll dieser Beitrag Einblick geben, wie ein interdisziplinäres Vorgehen aussieht, wenn Informatiker, Kommunikationswissenschaftler und nicht zuletzt Juristen und Kriminalsoziologen ihre Konzepte und Fähigkeiten bündeln, um Kriminalität im Internet systematisch aufzuspüren und zu analysieren.

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